Der dunkelblaue Anzug

Dario Spadea Pandolfi, Executive bei Cesare Attolini, einem der bekanntesten Herrenschneider Italiens schwört auf folgende Faustregel: Bist Du unsicher, welche Anzugfarbe für Tag, Anlaß und Stimmung geeignet ist, wähle dunkelblau. Und er hat recht damit.

Allzuoft höre ich Männer einander gegenseitig zu mittel- oder dunkelgrau als Farbe des ersten guten Anzuges raten. Dies ist zwar nicht gänzlich falsch oder unserem Vorhaben, eine vielseitige, möglichst jeder Situation angemessene Garderobe zusammenzustellen, nicht gänzlich abträglich, stellt zunächst aber nur eine wenig nützliche Investition dar. Warum? Ganz einfach: Grau mag tagsüber und im Büroalltag zu vielem kombinierbar sein, abseits vom Geschäftsleben ist diese Farbe allerdings schwieriger als und bei weitem nicht so vielseitig einsetzbar wie dunkelblau. Daß Südländer mit Ihrer Liebe zu dieser Farbe beim Anzug nicht Halt machen, können Sie unter anderem in folgendem Artikel von Bernhard Rötzel nachlesen: Das blaue Wunder.

Heute möchte ich mich jedoch der Einfachheit halber auf den Anzug beschränken. Zunächst zu den Ausstattungsvarianten: Falls Sie noch keinen doppelreihigen Anzug Ihr Eigen nennen – sei es, weil Sie diesen Anzugschnitt bisher für zu bieder erachteten oder weil Sie um eine vorteilhafte Silhouette fürchteten – sollten Sie diesmal bei der Anschaffung dringend über ebenjene Konfiguration nachdenken.
Nicht nur sieht ein doppelreihiger Anzug an nahezu jeder Statur vorteilhaft aus, er ist für unser Vorhaben auch in noch höherem Maße geeignet, als sein einreihiges Pendandt. Was die Anzahl der Knöpfe und deren Stand und Schließvariante angeht, sind sie gut beraten, sich auf Ihren Schneider zu verlassen, er wird im Zweifel die für Sie geeignete Form finden. Sollten Sie auf ein Produkt von der Stange zurückgreifen müssen, sind Ihre Auswahlmöglichkeiten natürlich ganz andere. Den Knopfstand sollte man erst betrachten, nachdem sichergestellt wurde, daß die wichtigsten Körperstellen – Schultern, Taille, Brust, Armkugel, und so fort – entweder auf Anhieb gut paßen, oder von einem Kundigen Änderungsschneider entsprechend modifiziert werden können. Ist diese große Hürde überwunden, obliegt es letzten Endes Ihnen, dem Zwei-, Vier- oder Sechsknopfanzug den Vorzug zu geben.

Nun aber ganz konkret: Wie vielseitig ist der dunkelbalue Doppelreiher wirklich?
Zunächst ist er natürlich als Geschäftsanzug in nahezu jeder Situation und in Kombination mit jeder erdenklichen Hemdfarbe – ich rate Ihnen natürlich wie immer besonders zu hellblau – und Krawatte denkbar. Doch hier endet seine Verwendbarkeit durchaus nicht. Sie sind auf eine Hochzeit eingeladen, schrecken aber davor zurück, für diesen Anlass eigens einen Cutaway Coat mit cr’emefarbener Weste und gemusterten Hosen – Kennern als full morning dress bekannt – anzuschaffen? Tragen Sie zu eventuell schon vorghandenen graugestreiften Hosen einfach die Jacke Ihres neuen Anzuges, garniert mit förmlicheren Accessoires wie cr’emefarbenem Einstecktuch oder der allzeit tragbaren Variante aus weißem Leinen und einer Nelke im Knopfloch. Das Resultat wird auf keinen Fall negativ auffallen, der ein oder andere wird darin eine Variante des sogenannten semiformal morning dress erkennen, das für Hochzeitsgäste – Bräutigam und Trauzeugen natürlich ausgeschlossen – ohnehin schicklicher ist.

Sie möchten Ihre neue Jacke außerhalb dieses formellen Umfeldes einzeln einsetzten? Tragen Sie sie als Marineblazer – eventuell sollten Sie hierfür die Hornknöpfe gegen eine Variante aus Metall eintauschen – zu Hosen aus Flanell, Feincord, Baumwolldrill, Moleskin oder gar Denim. Kombiniert mit einem sportlicheren Hemd aus beispielsweise Oxfordbaumwolle, Leinen oder einem Gemisch aus Wolle und Baumwolle und informellen Schuhen ohne Schnürung wird Ihre Anzugjacke kaum als solche auszumachen sein. Eine einreihige Jacke würde hier mit aufgestzten Taschen korrekter aussehen, weshalb ich diese Form von Anfang an auzuschließen versucht habe. Aufgesetzte Taschen eigenen sich nur für Freizeitanlässe.

Zuletzt will ich Ihnen noch zeigen, wie Sie sogar die Königsdisziplin der formellen Anlässe in Ihrem neuen Anzug meistern können: black tie.
Korrekterweise wäre zu einem Anlaß, der das genannte auf der Einladung fordert, nur der Smoking angebracht. Sollten Sie allerdings keinen mit solchen Veranstaltungen allzu gefüllten Terminkalender haben, lohnt die Anschaffung eines solchen Anzuges speziell für diese wenigen Abendstunden – denn ein Smoking sollte gemäß einem Englischen Sprichwort nie das Tageslicht erblicken – oft nicht. Wenn Sie aber Ihren dunkelblauen Anzug durch ein in diesem Fall ausnahmsweise weißes Hemd und eine mitternachstblaue Seidenschleife, ein weißes Einstecktuch und glatte, schwarze – idealerweise wasserpolierte – Oxfordschuhe aufwerten, wird kaum jemand etas gegen Ihr Auftreten vorzubringen wissen.

Sie sehen, ein dunkelblauer Anzug kann weitaus nützlicher sein, als gemeinhin vermutet. In diesem Sinne: Viel Freude beim experimentieren mit Ihrem Neuerwerb! Natürlich würde ich mich wieder auf einen regen Austausch in Kommentaren und Forenbeiträgen freuen.

Kategorie: Magazin

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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