Die wichtigsten Stoffdessins, Teil 1

Stoffe sind unbestritten einer der schönsten Bestandteile eines jeden Kleidungsstücks. Für die allermeisten Männer ist Stoff, oder besser gesagt: dessen schier grenzenlose Vielfalt, aber vor allem eines: Sehr, sehr verwirrend. Kein Wunder – zwischen Pepita, Panama und Pinstripe in einer nicht enden wollenden Zahl von Varianten kann Mann leicht den Überblick verlieren. Dabei ist es im Grunde gar nicht so schwierig, Ordnung ins Dickicht der Stoffbündel zu bringen. Man muss nur wissen, wie.

Im Grunde lassen sich alle Tuche – so nennt man Stoffe für Oberbekleidung – in drei Kategorien einteilen: Feine Kammgarngewebe, sportive Tuche und eine relative junge Gruppe, die versucht, die Vorzüge der beiden anderen Gewebearten miteinander zu verknüpfen. Die mittlerweile größte Gruppe bildet die der Businessstoffe aus feinem Kammgarn. Historisch gesehen ist es noch nicht sehr lange möglich, Stoffe in derart leichten und dünnen Qualitäten zu produzieren, wie wir sie heute für ganz normal halten. Besonders in Sachen Garnfeinheit lieferten sich die größten Spinnereien und Webereien in den letzten zehn bis 20 Jahren ein regelrechtes Wettrennen um die höchsten Supernummern.

Das Resultat kann sich sehen lassen: Businessstoffe aus Kammgarn sind glatt und reißfest. Daneben erkennt man sie leicht an dem charakteristischen natürlichen Glanz der Oberfläche, der bei dichten Webarten besonders offensichtlich ist. An sich ist der Webartenkatalog für Businessstoffe stark eingeschränkt. Die meisten Dessins findet man in feinen diagonalen Bindungen, wie etwa Twill, oder leinwandbindigen Varianen wie Popeline oder Panama. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Fresco, ein stark knitterresistentes Gewebe, von dem im Stilmagazin bereits die Rede war. Dieser ist allerdings in nur wenigen Musterstellungen erhältlich, so dass der Weg an den üblichen Verdächtigen nicht verbeiführt, wenn ein vielfältiges Dessinangebot gefragt ist. Für den alltäglichen Einsatz eignet sich ein nicht zu feiner Twill sehr gut, weil er weniger knitterempfindlich ist als gerade Webarten. Der natürliche Glanz des feinen Garns kommt in ihm am schönsten zu Geltung.

Streifen sind wohl das häufigste Muster auf Businesstuchen. Vor allem der Nadelstreifen ist aus deutschen Büros kaum wegzudenken. Es gibt ihn in zahlreichen Varianten: Der Streifen kann entweder weiß oder farbig sein, wobei der Stoff umso formeller wirkt, je heller sein Streifen ist. Den größten Unterschied macht aber der Abstand zwischen den einzelnen Streifen. Enge Streifenabstände sind erstaunlich verbreitet, obwohl sie in der Regel deutlich weniger elegant aussehen als weite. Wenn die Breite der Streifen selbst variiert, bekommt das ganze Dessin einen neuen Namen. Muster mit einem Streifen, der aus mehreren Fäden entsteht und dadurch etwas breiter wird, nennt man Kreidestreifen. Sie sind ebenfalls ein klassisches Businessmuster, heute umweht sie jedoch stets ein Hauch von Exzentrik. Streifen, die annähernd so breit wie die Abstände zwischen ihnen, heißen Schattenstreifen. Meist nimmt der Kontrast des Streifens zur Grundfarbe mit zunehmender Streifenbreite ab. Streng genommen könnte man also auch den Fischgrät, ein Twillgewebe mit wechselnder Richtung der diagonalen Rippen, als Schattenstreifen beschreiben, weil die aufwärtzeigenden Rippen dunkler wirken, als die abwärtszeigenden.

Auf Platz zwei der beliebten Businessdessins rangieren die sogenannten Faux-Unis. Diese Tuche, die formeller als Streifen sind, sehen aus der Ferne einfarbig aus, lösen sich jedoch bei naher Betrachtung in ein kleinteiliges Muster auf. Fil à Fil ist eines dieser Muster – oder auch nicht. Genau genommen handelt es sich nämlich um kein geordnetes Muster, sondern lediglich um eine unregelmäßige Abwechslung heller und dunkler Garne. Geordneter wird es mit Nailhead, Sharkskin und Birdseye. Alle drei gehören zur Gruppe der gepunkteten Faux-Unis und unterscheiden sich vor allem in ihrer Motivgröße: Beim Nailhead sind die Punkte sehr klein, beim Birdseye oder Pfauenaugenmuster dagegen sind sie deutlich zu erkennen.

Karos belegen die untersten Plätze der Rangliste beliebter Businessdessins – kein Wunder: Streng genommen sind es gar keine. Der häufigste Vertreter, das Prince of Wales Check, ist eigentlich ein Sportstoff, fand jedoch im Lauf der Jahrzehnte Eingang in die Bürogarderobe. In den USA ist er besonders beliebt, in England gilt er allerdings nach wie vor als zu sportlich für sehr formelle Arbeitsumfelder. Auch das Fensterkaro, ein Muster, das man am besten als weit auseinanderliegende und sich kreuzende Nadel- oder Kreidestreifen beschreiben kann, sollte in Büros mit strengem Dresscode nicht zum Einsatz kommen, kann aber ansonsten eine erfrischende Alternative im Streifen-Einerlei sein.

Businesstuche können einfarbig sein – müssen es aber nicht. Ein systematischer Überblick macht es leicht, das passende Dessin für das eigene Arbeitsumfeld oder den gewünschten Formalitätsgrad zu finden. Im zweiten Teil erfahren Sie alles über sportliche Stoffe und die schnell wachsende Gruppe der Hybridstoffe.

Kategorie: Stoffe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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