Letzt kam ich mit einem Picasso nach Hause. Sagt die Familie - was ist denn das für ein Gekrakel, Kinderschmierereien, da kriegt man ja Augenkrebs, dafür willst Du ernsthaft das Thomas Kinkade Bild abhängen? Was, vieviel hast Du dafür bezahlt?
Mal im Ernst: niemand muß klassische Parfüms mögen (oder klassische Malerei, Musik, Weine etc. pp.), aber "stinkt nach alter Mann etc." Kommentare sind dann doch eher ein Zeichen für Weichspülersyndrom, also eine Duftsozialisierung mit der funktionellen Parfümerie aus Autobäumchen, Febreeze, Aprilfrisch, Klosteinen und künstlich aromatisierten Lebensmitteln etc. Das sind synthetische Billigmoleküle mit wenig Bezug zur Natur, wie sie übrigens auch in den meisten Massenmarkt-Parfüms enthalten sind.
Knize ist nun wirklich keine gute Marke um von Designerkram umzusteigen - die Düfte sind hervorragend, Ten ist eines der größten Parfüms der Welt, da sind sich alle Parfümkenner einig, aber sie sind eben sehr klassisch. Zum Einstieg empfehlen sich eher modern ausgerichtete Niche-Häuser, in denen man hochwertige Versionen moderner Dufttrends erleben kann. Biehl Parfümkunstwerke, Laura Tonnato, bestimmte Creeds u.v.m. Xerjoff macht zwar auch eher klassische Düfte, ist aber recht zugänglich (außer vom Preis
).
Was Preise angeht - Luxus ist eben Luxus. Aber das PLV bei einem hochwertigen Parfüm ist letztlich besser, als bei einem Bossduft, dessen Inhaltsstoffe € 0.03 / 100ml kosten. nicht dass es nicht auch qualitätsarme Hochpreisdüfte gäbe (Hallo Bond No. 9
), aber so was lernt man mit der Zeit, wie bei den Klamotten (und wenn man Bond No. 9 trotzdem mag, oder die Flakons so schön findet, und das nötige Kleingeld hat, ist es auch gut).
Zu Knize Ten zitiere ich mich mal selber:
"The Knize Ten (1924)
Ein Monument der Herrenparfümerie und einer der wenigen, aber furiosen, Beiträge zur Parfümkultur aus dem deutschsprachigen Raum – zumindest von außen betrachtet. Ein Produkt des Wiener Herrenschneiders Knize tschechischer Extraktion (daher „Kniesche“ auszusprechen, aber schon damals auch anglisiert „Nize,“) in einem Flakon von Adolf Loos, der auch die Wiener Geschäftsräume entwarf. Der Duft selbst stammt allerdings von zwei französischen Giganten, Francois Coty, dem Vater der modernen Parfümerie und Vincent Roubert, der u.a. auch für die Klassiker Iris Gris und Green Water von Jacques Fath (mit)veranwortlich war. Die „Roaring Twenties“ waren eine Zeit des ungezügelten Hedonismus und luxuriöser Exzesse und das spiegelt sich auch in den extravaganten Düften dieser Ära wider, welche mit intensiven Leder- und Tabaknoten auftrumpften. Knize Ten hat eine traditionelle, üppig-dandyeske pudrig-florale Orient-Komponente aus Fruchtnoten, Rose, Ambra, Iris, Zimt und Gewürzen, die sich in unvergleichlicher Manier mit modernistisch-futuristischen Aspekten verknüpft, als ob eine Brescia Typ 23 von Bugatti durch eine Haremsszene von Ingrès brettert. Terpentingetränkter Lederlappen, Benzin und Teer fallen einem zu den Kopfnoten ein, wofür Birkenteer und womöglich synthetische Isobutylquinoline verantwortlich sind. Das Ergebnis ist jedoch nicht etwa disharmonische Kakophonie, sondern eine wundersame Symbiose aus Draufgänger, Gentleman und Dandy. Wie schon der Parfümkritiker Luca Turin anmerkte, sollte jeder dieses Parfüm besitzen, weil es absolut einzigartig ist."
https://stilmagazin.de/mannesduft-leuchttuerme-teil-2/