Wo habe ich geschrieben, Stresemann und Frack hätten etwas gemeinsam? Der Frack war bis in die 20er Jahre die übliche Dienstkleidung von Parlamentariern, das war Herrn Stresemann zu umständlich, deswegen stufte er den Frack herunter. Letztlich ist der sgn. Stresemann eine Kombination aus Cut - der in Deutschland immer ein Schattendasein führte - und Strassenanzug.
Zur damaligen Zeit war der Smoking ein inoffizielles Kleidungsstück, der sich erst langsam durchsetzte.
Wir sind nicht weit auseinander, was die Oberbekleidung betrifft, haben aber wahrscheinlich unterschiedliche Wahrnehmungen von "Sakko". Was zum Stresemann zur Zeit dessen Entstehung getragen wurde, und damit authentisch ist, war ein einzelnes Sakko, dessen Schöße wesentlich länger waren als heute üblich, von der Länge entsprach es dem Gehrock. In den 20er Jahren gab es sehr wohl noch die Unterscheidung zwischen Strassen- und Offiziellem Anzug, der "Herr" trug beruflich Anzüge mit sehr langen Sakkos, in der Freizeit Einreiher, gerne auch in Braun, Grün usw. Zu dieser Zeit gab es noch erhebliche Unterschiede, was Mann tragen durfte. Der Arbeiter bspw. trug Mütze zum Anzug, der Geschäftsmann Homburg oder Bowler, der Edelmann oder Politiker Zylinder.
Wenn wir von Herrenmode reden, und dich denke, das ist Konsens im Forum, reden wir von der klassischen Herrenmode. Dazu zählen für mich weder die Gehröcke der modernen Hochzeitsanzüge, noch Smokings mit Seitenschlitzen, slim fit Schnitt oder Spencerjacken.
Die Schnitte dieser Stücke haben sich seit 1940 nur marginal verändert, wohl aber deren Anwendung. Der Frack war bis in die 30er Jahre die obligatorische Abendgarderobe besserer Kreise, bevor er vom Smoking verdrängt wurde. Diese Stücke trug man quasi abendlich. Der Cut war nicht auf Festlichkeiten beschränkt, er konnte durchaus bei offiziellen und gesellschaftlichen Anlässen jeder Art über Tag getragen werden, während man bei Beerdigungen einen schwarzen Cut mit Zylinder und schwarzem Binder trug.
Der Stresemann, als "Mischpoke" aus Cut, Anzug und Frack ist eine pragmatische deutsche "Entwicklung", den ich im Ausland noch nie gesehen habe und mit dessen Beschreibung weder in den USA noch hier keiner jemals etwas anfangen konnte.