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Woran erkennt man, ob fachgerecht und "hochwertig" restauriert wurde?
Da wären schon vertiefte kunsthistorische Kenntnisse nebst langjähriger Erfahrung nötig, um sichere Analysen treffen zu können. V. a.: In welcher Epoche und welcher Region wurde welche Gestaltung gewählt und welches Material in welcher Weise konstruierend verarbeitet. Das schließt auch Materialkunde samt Kenntnissen über die jeweiligen Alterungserscheinungen mit ein. Es ist ncht anders als beim Gebrauchtwagen- oder gar Oldtimerkauf: Der Gegenstand hat einige Zeit auf dem Buckel und oft was mitgemacht, das der Laie ihm nicht notwendig ansieht.
Zwar dilettiere ich seit über 40 Jahren, also schon seit Kindheit. Doch "höhere" Kenntnisse beanspruche ich nicht mal annähernd für mich. Vor allem hilft dem Laien nur andauerndes Sehen von qualitätvollen Originalen und sie miteinander zu vergleichen, z. B. im Kunsthandel und in Museen. In Letzteren kann man sich die Möbel zwar nahezu unendlich besehen, doch nicht betasten geschweige denn öffnen oder ihre Schubladen herausnehmen und sie auch nicht von allen Seiten (also auch von Rück- und Unterseite) in Augenschein nehmen.
Zusätzlich ist Lektüre von Fachliteratur eigentlich unverzichtbar. Und es ist wie bei fast allem: Selbst zu besitzen und im Lauf der Zeit die eigenen Stücke in Bezug auf die eingangs genannten Kriterien zu begreifen, fördert Verständnis wie auch Gespür. Man nähert sich einem Möbel zwar am sinnigsten mit gleichermaßen Verstand wie Gespür, und überprüft dann das eine jeweils mit dem anderen. Der Laie muß sich aber meist mehr aufs Gespür verlassen, und das kann auch grausam ins Auge gehen.
Meine Einrichtung stammt fast gänzlich aus den letzten vier Jahrhunderten, Schwerpunkt im vorletzen. Ähnliche Stücke sind mir dann schon mal vertrauter und deshalb leichter zu verstehen. Wer sie - wie zumeist - nicht erbt, muß Antikmöbel kaufen, und d. h. u. U. auch mal schmerzlich Lehrgeld zahlen, ich übrigens ebenso (der edelste Weg des Wachstums ist ja der der Erkenntnis, der schmerzlichste der der Erfahrung, und den gehen die meisten). Drum hatte ich vor etwas mehr als einem Jahr den meist teuereren Weg zum renommierten Fachhandel angeregt. Billiger heißt Chance - aber auch Risiko. Natürlich gibt´s immer wieder echte Trouvaillen, die selbst für Laien erkennbar derart günstig sind, daß man gar nichts falsch machen kann. Nur: Die sind extrem selten. Wer von Preis und Gegenstand hellauf begeistert ist, begegne sich selbst deshalb ziemlich kritisch. Begeisterung kann selbst beim Fachmann (vgl. Affaire Beltracchi) das Sehvermögen bis zur Stockblindheit schädigen. Also lieber zehnmal zuviel denn einmal zu wenig prüfen. Mit Antikmöbeln lebt man i. d. R. lange. Und ebenso lange erinnert ein Fehlkauf.
Wer erleben will, wie jeweils ein Sachverständiger aus dem Kunsthandel und einer aus dem Museumsbereich an ein Möbel (und andere Antiquitäten sowie Kunstgegenstände) herangehen, sollte sich im Bayerischen Fernsehen am Samstag zwischen 19:45 und 20:15 "Kunst und Krempel" zu Gemüte führen (Möbel kommen jedes zweite oder dritte Mal dran). Da erfährt man ungemein viel Basiswissen - und man begreift, was alles man nicht weiß .... Um weiter zu kommen hilft wie überall nur eins: Üben, üben, üben!
All das gilt selbstredend v. a. für qualitätvolle Antikmöbel von einigem Formenanspruch, und nicht z. B. für die, fast stets abgelaugten, Weichholzmöbel (vulgo und meist falsch: "Bauernmöbel") der Zeit zwischen ca. 1880 und 1920 oder auch die meisten Historismusmöbel (welch Letztere mir wegen ihrer eklektizistischen Zitate einer oder gleich mehrerer unverstandener früherer Formensprachen meist unverdaulich sind). Hier passen Kaufpreis und Gebrauchswert meist zusammen, und ob die Substanz verändert wurde ist wegen fehlender kunsthistorischer Bedeutung nicht so bedeutsam.
Abzuschrecken ist nicht meine Absicht, sondern nur Enttäuschungen vermeiden zu helfen. Mit alten Möbeln lebt sich´s einfach herrlich. Und wenn mir schon kein altes Haus vergönnt ist, dann wenigstens alte Möbel. Ein eigener Kosmos, wie Kleidung.